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Scholz, Christoph (20. Januar 2010): Mechanismen immunologischer Toleranz. Untersuchungen am Plazenta- und Tumor-Modell. Habilitationsschrift, Ludwig-Maximilians-Universität München
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Abstract

Hintergrund Die Schwangerschaft ist ein natürliches, erfolgreiches Modell immunologischer Toleranz [1]. Das Kind, dessen genetisches Material zu 50% allogen ist, wird während der Zeit seiner intrauterinen Entwicklung vom mütterlichen Immunsystem akzeptiert. Ein Zustand, der fundamentalen Regeln der Transplantationsimmunologie (Selbst-Fremd Erkennung) widerspricht. Beim Aufbau der fetomaternalen Grenzfläche wachsen fetale Zellen (sog. Trophoblasten) in die mütterliche Uterusschleimhaut ein, arrodieren mütterliche Blutgefäße und bilden in der reifen Plazenta die Auskleidung eines mütterlichen Blutsees [2]. Dieses trophoblastäre Synzytium ist also gleichermaßen fetales Epithel wie plazentares Endothel und interagiert mit mütterlichen Leukozyten [3].

Die Frage immunologischer Toleranz ist jedoch auch in der Kanzerogenese und in der Etablierung des Tumormikromilieus von entscheidender Bedeutung [4]. Die Entstehung und immunologische Etablierung eines malignen Tumors ist die gemeinsame Endstrecke eines letztendlich ungerichteten Prozesses. Die Charakteristika einer malignen Erkrankung sind daher in hohem Maße individuell. Ausdruck dessen ist die zunehmende Hinwendung zu individualisierten Krebstherapien (sog. targeted therapies) wie sie z.B. auch immuntherapeutische Ansätze darstellen [5]. Der spezifische Aufbau immunologischer Toleranz an der Tumor-Stroma Grenzfläche ist auf Grund der großen interindividuellen Unterschiede im humanen System nur schwer nachzuvollziehen. Demgegenüber verläuft der Aufbau des spezifischen immunologischen Mikromilieus an der fetomaternalen Grenzfläche entlang geordneter Bahnen, deren Erforschung allgemeine Prinzipien der Toleranzentwicklung im humanen System zu Tage fördern könnte. Das vorliegende Habilitationsprojekt widmet sich Mechanismen immunologischer Toleranz und ihrer Durchbrechung am Plazenta- und Tumor-Modell.

Bisher bearbeitete Fragestellungen Dendritische Zellen (DC) besetzen eine zentrale Schaltstelle des Immunsystems und können einerseits antigenspezifische cytotoxische T-Zell Immunantworten induzieren, andererseits im steady state für immunologische Toleranz sorgen [6, 7]. Ihre Eigenschaft der spezifischen Immuninduktion prädestinieren DC für eine individualisierten Krebs-Immuntherapie, deren immunogene Eigenschaften wir in Zellkultur-Modellen beurteilen konnten [8]. Apoptose als der physiologische Zelluntergang induziert peripher (d.h. außerhalb lymphatischer Organe) vermittelt über DC immunologische Toleranz. Apoptotisch zu Grunde gegangene Zellen werden dabei von DC aufgenommen und so aufbereitet, dass ihre charakteristische Proteinstruktur von cytotoxischen T-Zellen erkannt wird. Zusätzliche Signale bestimmen nun, ob diesen T-Zellen angezeigt wird, die betreffende Proteinstruktur zu tolerieren oder dagegen eine Immunantwort zu induzieren [9, 10]. Eine solche Immunantwort ist hochspezifisch und bietet sich daher als targeted therapy in der Krebstherapie an [11]. Wir konnten in diesem Zusammenhang den Weg apoptotischen Tumormaterials in Zellkultur-DC genauer verfolgen und als Einflussfaktor der folgenden Immunantwort näher charakterisieren [12].

Neben der Charakteristik des aufgenommen Zellmaterials ist die Eigenart jener zusätzlichen Signale (den von P. Matzinger erstmals so genannten „Gefahrensignalen“) von entscheidender Bedeutung für die Immunantwort. Gefahrensignale sind immunologische Muster, die eine Infektion oder Zellschädigung kennzeichnen und eine pathogen- und gewebsspezifische Immunreaktion nach sich ziehen. So konnten wir mit Adenosin-Triphosphat ein obligat intrazelluläres Molekül als ein solches Gefahrensignal charakterisieren [13]. An die Stelle der klassischen Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremd tritt damit die Unterscheidung zwischen Gefahr und Nicht-Gefahr. Der Zustand der Nicht-Gefahr der sog. steady state wird in diesem Modell mit der Induktion einer gewebsspezifischen Toleranz andererseits jede Schädigung durch ein Pathogen durch eine auf Pathogen und Gewebe maßgeschneiderte Immunreaktion beantwortet. Das lokale Gewebe ist in diesem Modell Auslöser und Ziel der Immunantwort während im klassischen Selbst Fremd Modell das Immunsystem der Auslöser und das Gewebe lediglich das Zielorgan darstellt [14].

Bonney und Matzinger konnten im Maus-Modell zeigen, dass diese Unterscheidung zwischen intakter systemischer Immunantwort und lokaler Immuntoleranz auch auf das klassische Paradoxon der Fortpflanzung zutrifft [15]. Hieran anknüpfend konnten wir im humanen in vitro System Glycodelin, ein progesteronabhängiges Glycoprotein der fetomaternalen Grenzfläche, als einen solchen lokalen Faktor im Hinblick auf eine Toleranzinduktion in DC nachweisen [16]. Im Rahmen hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen gelang es zudem erstmals, eine Rolle des Aktivierungszustandes dendritischer Zellen am Patientenmaterial zu zeigen [17]. In der Frühschwangerschaft konnten wir außerdem nachweisen, dass eine verminderte Expression von Glycodelin mit einem Abortgeschehen assoziiert ist [18]. Das ansonsten schwangerschaftsspezifische lokal immunsuppressive Glycodelin wird jedoch auch von gynäkologischen Tumoren im Rahmen der Karzinogenese zur lokalen Immunsuppression benutzt. Im Ovarialkarzinom konnten wir Glycodelin-abhängige Immunsupression auf Zellkultur-DC ebenso nachweisen wie eine Korrelation mit dem Östrogen- und Progesteronrezeptorstatus als prädiktivem Faktor in histologischen Schnitten des Mammakarzinoms [19; 21]

Eine der zentralen Aufgaben der fetomaternalen Grenzfläche ist die Trennung des mütterlichen und kindlichen Blutkreislaufes. Bei einem Leck dieser Trennung kann es zum Ausbluten des Feten in den Kreislauf der Mutter kommen. Mechanische Belastung wurde lange Zeit als ein Hauptriskofaktor für dieses seltene, jedoch in seinem Verlauf oftmals sehr dramatische Krankheitsbild gesehen. In einer Beobachtungsstudie konnten wir mit einem sehr sensitiven durchflußzytometrischen Testverfahren jedoch eine plazentare Entzündungsreaktion als bislang nicht beschriebenen Risikofaktor etablieren [22].

Ein lange Zeit mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgter Risikofaktor einer fetomaternalen Transfusion Besonderes war die mechanische Belastung im Rahmen der sog. äußeren Wendung, bei der ein Kind am Ende der Schwangerschaft aus Beckenendlage durch Manipulation von außen in eine Schädellage gedreht wird, um eine vaginale Geburt aus Schädellage zu ermöglichen. Die Sicherheit des Kindes steht dabei naturgemäß an oberster Stelle. In einer klinischen Beobachtungs-Studien konnten wir mit einem sehr sensitiven durchflußzytometrischen Testverfahren dazu beitragen die Volumina der fetomaternalen Transfusion im Rahmen einer äußeren Wendung mit o.g. Testverfahren genauer zu quantifizieren und den Einfluss der mechanischen Belastung auf die fetomaternale Transfusion damit zu relativieren [23].

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