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Schäffer, B.; Peschel, O.; Graw, M. und Gleich, S. (22. August 2024): Assistierte Suizide in München – eine Analyse vorliegender Gutachten. In: Rechtsmedizin, Bd. 34: S. 395-401 [PDF, 319kB]

Abstract

Hintergrund

Die Autoren hatten in 3 vorangehenden Publikationen dieser Fachzeitschrift erste Daten zu assistierten Suiziden (AS) in München vorgestellt. Ergänzend wird nun die Qualität vorliegender Gutachten von AS-Fällen untersucht.

Methode

Alle Münchner Todesbescheinigungen vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2023 wurden auf AS-Sterbefälle geprüft. Waren in den korrespondierenden staatsanwaltschaftlichen Akten Gutachten enthalten, wurden diese AS-Fälle anonymisiert und deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse

Psychiatrische Erkrankungen mit einem potenziellen Einfluss auf die Freiverantwortlichkeit wie Depressionen, kognitive Einschränkungen und Demenz lagen bei knapp 24 %, 3 % bzw. 7 % der Fälle vor. In diesen Fällen wurden in weniger als der Hälfte Fachgutachter aus Psychiatrie oder Psychologie beauftragt. In fast zwei Dritteln der Fälle handelte es sich bei Gutachter, assistierendem Arzt und Leichenschauer um dieselbe Person. Fast ein Fünftel der Gutachten wurde von den Autoren lediglich als Attest eingestuft. Nur in etwa zwei Dritteln der Fälle waren die Nennung von Alternativen zum AS und die Überprüfung der körperlichen Voraussetzungen für die Tatherrschaft des Suizidwilligen dokumentiert.

Diskussion

Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Freiverantwortlichkeit als Voraussetzung für die Straffreiheit eines AS umfasst nach fachlicher Bewertung der Autoren: 1. kompetente Begutachtung der Einwilligungsfähigkeit, 2. ergebnisoffene, umfassende, frühzeitige und ggf. interdisziplinäre Aufklärung, 3. transparente Vorbereitung des AS mit Trennung der Rollen von behandelndem und aufklärendem Arzt, Gutachter, assistierendem Arzt sowie Leichenschauer und 4. ausreichende Reflexionsphasen für den Suizidenten. Eine Überprüfung der Eignung der Gutachter wäre wünschenswert. Jedenfalls bei Anhaltspunkten für mangelnde Freiverantwortlichkeit sollten Fachärzte für Psychiatrie miteinbezogen werden. Gutachten sollten standardisiert abgefasst werden.

Abstract

Background

In three previous publications the authors presented first data on assisted suicides (AS) in Munich. In addition, the quality of expert reports on AS were examined.

Methods

All death certificates in Munich from January 1, 2020, to December 31, 2023, were examined for cases of AS. If the corresponding public prosecutor’s files contained expert reports, these cases of AS were anonymized and analyzed descriptively.

Results

Psychiatric disorders with a potential impact on free will, such as depression, cognitive impairment, and dementia, were present in approximately 24%, 3% and 7% of cases, respectively. In less than half of these cases no psychiatric or psychological experts were appointed. In almost two thirds of the cases the expert, suicide assistant and postmortem examiner were the same person. Almost one fifth of the expert reports were classified by the authors merely as attestation. Only in about two thirds of the cases were alternatives to AS and the physical prerequisites for the suicide documented.

Discussion

The free will required by the Federal Constitutional Court as a prerequisite for exemption from prosecution of AS, in the view of the authors includes: 1) competent assessment of the ability to give consent, 2) open-ended, comprehensive, early and, if necessary, interdisciplinary information about AS, 3) transparent preparation with separation of the roles of pretreatment and informing physician, expert, assisting physician and postmortem examiner and 4) sufficient reflection phases. An assessment of the qualification of the experts would be desirable. In any case, if there are indications of a lack of free will specialists in psychiatry should be involved. Expert reports should be standardized.

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