Hanrieder, Tine
(2008):
Moralische Argumente in den Internationalen
Beziehungen. Grenzen einer verständigungstheoretischen »Erklärung« moralischer Debatten.
In: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, Vol. 15, No. 2: pp. 161-186
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Abstract
Das handlungstheoretische Fundament der Normenforschung wurde in den deutschen
IB durch die Habermas-Rezeption erheblich vorangebracht und in der ZIB-Debatte
kontrovers diskutiert. Dieser Aufsatz widmet sich einer Reihe bislang vernachlässigter
Probleme, die sich aus der Verschränkung von Handlungstheorie und Moralphilosophie
in der Verständigungstheorie internationaler Verhandlungen ergeben. Wo die
analytische Trennung zwischen normativer Begründung und empirischer Rekonstruktion
aufgehoben wird, drohen nicht nur handlungstheoretische und empirische Verzerrungen,
sondern auch eine Preisgabe kritischen Potenzials. Am Beispiel von Nicole
Deitelhoffs »Diskurstheorie internationalen Regierens« werden die Moralisierungstendenzen
der Theorie da deutlich, wo das rhetorische Handlungsmodell mit moralphilosophischen
Argumenten unter den Verständigungsansatz subsumiert wird. Auf
empirischer Ebene ist die Analyse auf Moralisierung angewiesen, sobald es das »bessere
« Argument zu »beobachten« gilt. Mit dem Formalismus des Universalisierungskriteriums
werden dabei normative Parteinahmen nicht umgangen, jedoch als solche
unkenntlich gemacht. So verhindert die Diskurstheorie der IB paradoxerweise, dass
Räume für normative Kritik entstehen.
Abstract
The introduction of the Habermasian »arguing theory« into German IR has caused a
lively discussion about the agency theory underlying research on international
norms. This essay addresses some problematic implications of this theory, which
have so far been neglected in the debate. By blending moral philosophy and agency
theory in the »logic of arguing«, scholars not only distort their theoretical argument
and their empirical analysis, but also compromise the theory’s normative-critical
contribution. Using the example of Nicole Deitelhoff’s »discourse theory of international
governance«, the risk of a moralist fallacy will be demonstrated at two levels:
At the theoretical level, it occurs when the »arguing theory« subsumes the competing
theory of »rhetorical action« on philosophical grounds. At the empirical level,
the arguing approach has to rely on moral judgements when it comes to »observing«
the power of the »better argument«. Paradoxically, the seemingly formal criterion of
universalization conceals such substantive judgements instead of opening up discursive
space for normative contestation.