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Schöpfer, J.; Stenik, A.; Eberle, L.; Koeppel, M. B.; Graw, M. und Gleich, S. (2019): Attestierung der Infektionsgefahr bei der Leichenschau. Auswertung der Dokumentationsleistung zu meldepflichtigen und nichtmeldepflichtigen infektiösen Krankheiten und Krankheitserregern in Münchner Todesbescheinigungen. In: Rechtsmedizin, Bd. 29, Nr. 3: S. 190-202

Volltext auf 'Open Access LMU' nicht verfügbar.

Abstract

ZusammenfassungHintergrundIn Deutschland starben laut amtlicher Todesursachenstatistik in den letzten Jahren rund 4% der Bevolkerung an Infektionskrankheiten. Der leichenschauende Arzt entscheidet, ob es sich um eine nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtige Krankheit handelt, und ob er auf dem nichtvertraulichen Teil der Todesbescheinigung das Feld Infektionsgefahr ankreuzt. Die deutsche Bestattungsgesetzgebung sieht in den Fallen, in denen vom Verstorbenen eine fur Dritte relevante Infektionsgefahr, Infektiositat, ausgeht, eine Kennzeichnungspflicht vor. Der Terminus infektose Leiche ist jedoch derzeit nicht konkret definiert. Der damit den Leichenschauarzten geschaffene Handlungsspielraum ruft bei diesen Unsicherheiten hervor.Material und MethodeEs wurden im Rahmen einer retrospektiven standardisierten Vollerhebung im Stadtgebiet Munchen ausgestellte Todesbescheinigungen (n=3005) untersucht. Anhand dieser Stichprobe wurden Angaben zu Infektionskrankheit und Krankheitserregern sowie die Angabe eines Warnhinweises Infektionsgefahr ausgewertet. Die Ergebnisse geben ein uneinheitliches Bild. In der untersuchten Stichprobe fanden sich in 8,1% der infektassoziierten Todesfalle im nichtvertraulichen Teil der Todesbescheinigung dokumentierte Warnhinweise auf eine ubertragbare Krankheit, bei der die konkrete Gefahr besteht, dass gefahrliche Erreger beim Umgang mit der Leiche ubertragen werden, woraus kosten- und zeitaufwendige Schutzma ss nahmen resultierten. Bei objektivierbar risikoadaptierter Einschatzung hatte in 0,4% aller infektassoziierten Todesfalle bzw. 2,7% der attestierten Infektionsgefahr zwingend ein Warnhinweis erfolgen mussen. Dies ist lediglich einmal umgesetzt worden. In 42Fallen war der Warnhinweis nicht gerechtfertigt. In annahernd 90% der bejahten Warnhinweise wurde der Erreger auf dem nichtvertraulichen Teil der Todesbescheinigung dokumentiert, was als Versto ss gegen die arztliche Schweigepflicht gewertet werden konnte.SchlussfolgerungEs waren Dokumentationsfehler mit vermeidbaren Folgekosten nachweisbar. Das IfSG erscheint als alleinige Grundlage fur eine Kennzeichnung einer Leiche als infektios nicht geeignet. Eine deutschlandweit an realistische Infektionsgefahren angepasste Bestattungsgesetzgebung erscheint als zwingend ratsam. AbstractBackgroundAccording to official cause of death statistics, in Germany approximately 4% of the population died of infectious diseases in recent years. The physician performing the external examination of the corpse has to decide if the disease has to be reported to the local health authority according to the Infection Protection Act (IfSG) and if the box labeled risk of infection in the non-confidential part of the death certificate should be ticked. German funeral legislation provides for amandatory labeling in such cases in order to protect the persons who may be endangered when handling the corpse. The term infectious corpse is, however, currently not specifically defined. The room for maneuver thus created causes uncertainties among physicians performing the external examination of corpses.Material and methodAs part of aretrospective standardized full survey, all death certificates (n=3005) issued in the city of Munich were examined. Based on this sample, information on infectious diseases and pathogens as well as information on a warning of risk of infection were evaluated.The results give an inconsistent picture. In the sample examined, documented warnings of a contagious disease with a concrete risk that dangerous pathogens will be transferred when handling the corpse were found in in the non-confidential part of the death certificate 8.1% of infectious disease-related deaths, which resulted in costly and time-consuming protective measures. In the case of an objectifiable, risk-adapted assessment, only 0.4% of the infectious disease-related deaths or 2.7% of certified infection risk would have required awarning. This was actually implemented in only 1 case. In 42cases the warning was not justified. In addition, in approximately 90% of the affirmative warnings, the pathogen was named on the non-confidential part of the death certificate, which could be considered as abreach of medical confidentiality.ConclusionSerious documentation errors were found in this study with avoidable follow-up costs. The IfSG alone does not seem to be suitable foundation for labeling a corpse as infectious. A nationwide German funeral legislation adapted to realistic risks of infection seems to be urgently advisable.

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