Logo Logo
Hilfe
Hilfe
Switch Language to English

Glück, Jan (2023): Retente, Raynaldo, de lavorer. Die Responsibilisierung des Fuchses in tierepischen Gerichtsverfahren. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Bd. 53, Nr. 3: S. 441-469 [PDF, 466kB]

Abstract

Kann ein Fuchs für die Tötung eines Huhns zur Rechenschaft zu ziehen sein? Diese Frage mag aus Sicht moderner Rechtsordnungen unsinnig wirken, unter den spezifischen Bedingungen tierepischen Erzählens, in dem die anthropologische Differenz systematisch unterlaufen wird, handelt es sich aber um eine durchaus sinnvolle Fragestellung. Denn der Fuchs und seine Opfer sind hier nie einfach nur Tiere, sie referieren aber auch nicht unmittelbar auf außerliterarische Menschen. Vielmehr weisen sie eine immer neu zu bestimmende Plastizität auf, sodass die wiederholte Zuschreibung von Verantwortung an Tierfiguren zugleich als Verhandlung der Bedingungen einer Responsibilisierung von Menschen erkennbar wird. In der Folge der tierepischen Erzählungen von Gerichtsverhandlungen gegen den Fuchs entwickelt sich so ausgehend von Le jugement de Renart im 12. und 13. Jahrhundert ein volkssprachlicher Responsibilisierungsdiskurs, den der vorliegende Beitrag nachzeichnet. In Reinhart Fuchs, Van den vos Reynaerde und Rainaldo e Lesengrino, die in jeweils eigenständiger Art und Weise auf den Roman de Renart zurückgreifen, zeigt sich dabei in zunehmendem Ausmaß, dass der Mensch Verantwortung nicht nur für sich selbst vor Gericht, sondern auch für das Gerichtsverfahren und schließlich für die Gestaltung seiner sozialen Ordnung insgesamt übernehmen muss.

Abstract

Can a fox be held responsible for killing chicken? This question may seem nonsensical from the point of view of modern legal systems, but under the distinct conditions of beast epic narration, in which the anthropological difference is systematically undermined, it is a thoroughly meaningful issue. The fox and his victims are never just animals here, nor do they directly reference real humans; rather, they display a specific plasticity that can always be redefined, so that the repeated attribution of responsibility to animal characters is also recognizable as a negotiation of the conditions for human responsibilisation. Thus, originating from the trial against the fox in Le jugement de Renart, in the 12th and 13th centuries a vernacular discourse on responsibilisation rises in beast epic narration, which this article traces. In Reinhart Fuchs, Van den vos Reynaerde and Rainaldo e Lesengrino, each of which draws on the Roman de Renart in their own way, it becomes increasingly apparent that people are not only responsible for themselves in court, but also for the court’s proceedings and ultimately have to take over the shaping of their social order as a whole.

Dokument bearbeiten Dokument bearbeiten