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Jdanoff, Denis (2003): "Russische Faschisten". Der nationalsozialistische Flügel der Russischen Emigration im Dritten Reich. Das Forschungsportal zu Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa (http://www.osmikon.de)
Digitale Osteuropa-Bibliothek: Reihe Geschichte, Band 4
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Abstract

Bevölkerungswanderungen und gewaltsame Vertreibungen hat es zu verschiedenen Zeiten der Menschheitsgeschichte, so auch im 20. Jahrhundert, in unterschiedlichen Ausprägungen gegeben. Oft waren radikale politische Veränderungen Auslöser solcher Prozesse. So hat die Oktoberrevolution von 1917 die politische Landschaft der damaligen Zeit grundlegend verändert. In Rußland führte sie nach dem Bürgerkrieg, als vergeblich unternommenem Versuch, die alte Ordnung gewaltsam wiederherzustellen, zu einer massenhaften Emigrationswelle, die über eine Million Menschen umfaßte. Diese Spaltung der russischen Gesellschaft und die Entstehung einer politisch aktiven und intellektuell eigenständigen russischen Emigration ist in ihrer Zahl, Dauer und kulturellen Bedeutung wohl einzigartig. Die Geschichte der russischen Emigration ist noch immer nicht abgeschlossen, sie existiert bis zum heutigen Tage, an dieser Stelle wird also nur ein chronologischer Ausschnitt dargestellt.

Die russischen Emigranten konzentrierten sich vor allem in Europa, es bildeten sich schon bald einige Zentren heraus, zunächst vor allem Berlin, aber auch Paris, Prag und Belgrad. Im eingegrenzten Zeitraum war nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Emigrantenzahl in Deutschland verblieben, und Paris hatte sich zum eindeutigen Mittelpunkt der Emigration entwickelt. Die soziale und politische Differenzierung der russischen Emigranten war zwar enorm, fast alle vereinte aber eine ideologische Gemeinsamkeit: Die Ablehnung des bolschewistischen Regimes in ihrem Heimatland. Die Emigration blieb deshalb leidenschaftlich interessiert an den Entwicklungen in Sowjetrußland, politisch aktiv war aber nur ein kleiner Teil der Emigranten. Nicht nur der "rote Terror" der Anfangszeit, sondern in den dreißiger Jahren auch die Kollektivierung und die anlaufenden Säuberungen hatten einen starken Einfluß auf die Emigrantensphäre. Die Emigranten versuchten auch, mit ihrer Wahrnehmung der Geschehnisse auf die Politik ihrer Gastländer gegenüber Sowjetrußland einzuwirken. Ihre Zerstrittenheit verhinderte aber, daß sie eine einheitliche politische Front bilden und damit zu einer gewichtigen politischen Kraft werden konnte. Die in Europa konzentrierte Emigration war unausweichlich dem Einfluß der politischen und ideologischen Strömungen ausgesetzt, die in der Zwischenkriegszeit dort stattfanden. Die stärksten Ideen dieser Epoche waren, neben dem Kommunismus, ohne Zweifel der mit unbändiger Kraft an die Oberfläche brechende italienische Faschismus und, für die in Deutschland lebenden Emigranten, der Nationalsozialismus. Beide traten am radikalsten gegen den Bolschewismus auf und erschienen einem Teil der Emigration, vor allem dem rechten Spektrum, schon deshalb als logische Bündnispartner zur Fortsetzung ihres Kampfes mit dem Sowjetregime. Um diese ideologisch neuartigen Konzeptionen in den Zusammenhang der Emigration einordnen zu können, reicht es aber nicht aus, diese oberflächliche und weitestgehend auf pragmatischen Überlegungen basierende Sympathie zu analysieren. Die Aufgabe dieser Arbeit besteht vielmehr darin, die spezifische Rezeption des Faschismus und Nationalsozialismus in den Emigrantenkreisen darzustellen, und die Gruppierungen zu beschreiben, die sich selbst explizit als russische Variante eben dieser Ideologien bezeichneten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der russischen nationalsozialistischen Bewegung in Deutschland, die sich nach Hitlers Machtergreifung 1933 bildete und mit dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 ihre Funktion weitgehend einstellen mußte.

In einem ersten, einleitenden Kapitel werden die ideologischen Grundlagen von Faschismus und Nationalsozialismus behandelt. Insbesondere sollen die grundsätzlichen Unterschiede zwischen beiden deutlich gemacht werden, da diese Abgrenzung für die spätere ideologische Einordnung der zu behandelnden russischen Organisationen von Bedeutung ist. Eingang in die russische Emigration fanden Faschismus und Nationalsozialismus durch die jüngeren Emigranten, die erst im Exil ihre Aktivität entfalteten. Deshalb sollen ihre ideologische Abgrenzung von den traditionellen politischen Strömungen des vorrevolutionären Rußland und ihr spezifisches politisches Milieu dargestellt werden, in dem sich Sympathien für die faschistische und nationalsozialistische Strömungen entfalten konnten. In einem zweiten Kapitel sollen die russischen faschistischen Organisationen in der Peripherie, d.h. abseits der europäischen Zentren der russischen Emigration, genauer im Fernen Osten und den USA, beschrieben werden. Im dritten Teil soll auf die eigentliche Thematik dieser Arbeit, die russische nationalsozialistische Bewegung im Dritten Reich eingegangen werden. Dazu werden zunächst die Verbindungslinien zwischen dem traditionell rechten und reaktionären politischen Spektrum in Rußland, das sich nun auch in der Emigration manifestierte, und der NSDAP in ihrer Anfangsphase herausgearbeitet. Anschließend wird die Tätigkeit der drei zeitlich aufeinanderfolgenden Organisationen der russischen Nationalsozialisten in Deutschland geschildert. Dabei soll ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, welche Position die Behörden des NS-Staates zur russischen nationalsozialistischen Bewegung eingenommen und inwiefern sie die von ihr erwartete Unterstützung geleistet haben. Ebenso soll anhand von erhalten gebliebenen Veröffentlichungen dieser Organisationen zu ihren ideologischen Grundlagen der für diese Arbeit wichtigen Frage nachgegangen werden, ob die russischen Nationalsozialisten im Dritten Reich ihre Selbstbezeichnung zu Recht tragen. Im vierten Teil soll das Schicksal der russischen Nationalsozialisten in den Kriegsjahren beschrieben werden, die ja die langersehnte Erfüllung ihrer politischen Ambitionen werden sollte. In einer Schlußbetrachtung werden die Resultate der vorliegenden Untersuchung zusammengefaßt.

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