Abstract
Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass Menschen ein Grundbedürfnis nach Kontrolle haben. Die Theorie der kognizierten Kontrolle definiert ein Kontrollerleben als die Möglichkeit oder Wahrnehmung, Phänomene erklären, vorhersagen und / oder beeinflussen zu können. Aus Sicht der Autor_innen kann diese Theorie einen aufschlussreichen Beitrag zur Analyse des Aufstiegs der nationalsozialistischen Bewegung in Deutschland und der Akklamation weiter Teile der Bevölkerung leisten. Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Jahre der Weimarer Republik waren geprägt von gravierenden Krisenerscheinungen, die vor dem Hintergrund der gesellschaftlich verbreiteten Wahrnehmungs- und Einstellungsmuster bei weiten Teilen der damaligen deutschen Bevölkerung das Erleben eines Kontrollverlustes auslösten. Gleichzeitig verliehen Hitler und die nationalsozialistische Bewegung diesem Erleben Ausdruck, dramatisierten es, griffen mit einfachen „Erklärungen“ und „Lösungen“ damals verbreitete Vorurteile und Sehnsüchte auf und stellten die kognizierte Kontrolle in der Wahrnehmung weiter Bevölkerungskreise nach ihrer „Machtergreifung“ durch ihre Aktivitäten und Propaganda wieder her. Auf Grundlage der Theorie der kognizierten Kontrolle werden die Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur, ihre Akzeptanz und Unterstützung durch weite Teile der deutschen Bevölkerung in einem systematischen Rahmen analysiert. Zudem bietet die Theorie in Bezug auf gegenwärtige Entwicklungen hin zu antiliberalen Gesellschaften und Regimen einen aufschlussreichen Analyserahmen und Anhaltspunkte für die Prävention solcher Entwicklungen.
Abstract
Numerous studies indicate that people have a fundamental need for control. The theory of cognitive control defines the experience of control as the real or perceived possibility to explain, to predict, and / or to influence phenomena. The authors maintain that the theory of cognitive control makes a revealing contribution to the analysis of the rise of the National Socialist movement in Germany, and particularly of its widespread acclamation among the population at that time. The end of World War I and the years of the Weimar Republic were characterized by severe crises that interacted with prevailing patterns of perception and attitude. Together they caused an experience of loss of control among significant segments of the German population. At the same time, Hitler and the National Socialist movement gave expression to this experience, dramatized, and aggravated the situation, and presented simple “explanations” and “solutions” that appealed to the prevailing needs and prejudices. After their “seizure of power,” and by means of their political actions and propaganda, the National Socialists re-established cognitive control, as perceived by many German contemporaries. Based on the theory of cognitive control, the rise and the consolidation of the National Socialist dictatorship and its approval and support by large parts of the German population are analyzed in a systematic framework. Moreover and with regard to current developments toward antiliberal societies and regimes, the theory offers an effective framework for analysis as well as reference points to avert portentous processes of that kind.
Dokumententyp: | Zeitschriftenartikel |
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Fakultät: | Psychologie und Pädagogik > Department Psychologie |
Themengebiete: | 100 Philosophie und Psychologie > 150 Psychologie |
URN: | urn:nbn:de:bvb:19-epub-106789-0 |
ISSN: | 0033-3042 |
Sprache: | Deutsch |
Dokumenten ID: | 106789 |
Datum der Veröffentlichung auf Open Access LMU: | 11. Sep. 2023, 13:43 |
Letzte Änderungen: | 29. Sep. 2023, 13:07 |
DFG: | Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - 491502892 |