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Aracena, Maximilian (30. September 2013): Die „Große Deutsche Kunstausstellung“ von 1937 bis 1944. Eine Verkaufsausstellung. Magisterarbeit, Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften, Ludwig-Maximilians-Universität München. [PDF, 6MB]

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Abstract

Die seit 1937 jährlich bis 1944 stattfindende „Große Deutsche Kunstausstellung“ war die wichtigste Kunstausstellung des Nationalsozialismus und wahrscheinlich eine der profitabelsten zugleich. „Wie in vielen anderen Bereichen wurde auch in der Kunstgeschichte die Zeit des Nationalsozialismus lange – bis weit in die 1960er Jahre hinein – totgeschwiegen, tabuisiert und verdrängt.“ Ein Künstler wie Raffael Schuster-Woldan, der während der GDK von 1938 bis 1944 einen Verkaufserlös von 820.000 RM erzielte, was dem 341-fachem des Bruttojahreslohns eines Facharbeiters entsprach, wurde in der Literatur fast nicht oder nur sehr oberflächlich behandelt, und das, obwohl er zynischerweise keinerlei Werke mit nationalsozialistischer Konnotation schuf. Viele Künstler der Ausstellungen sowie die Ausstellungen selbst wurden hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der propagandistischen Kunst“ des Dritten Reiches betrachtet. Hierzu wurden oft einzelne Werke, pauschalisierend für alle Werke, herausgegriffen und entsprechend analysiert. Oft entstand dadurch der Eindruck einer ideologisch dominierten Kunst im Dritten Reich. Nur ein geringerer Teil war jedoch definitiv rechtsradikaler Natur, was sich auch in den Verkaufszahlen der GDK niederschlug, in der über 90 % der gekauften Werke „harmlose“ Thematiken behandelten. Ein Grund hierfür findet sich sicher in dem fehlenden Bildmaterial, welches erst im Oktober 2012 durch die bildbasierte Forschungsplattform www.gdk-research.de zur Verfügung gestellt wurde. Diese entstand in Zusammenarbeit mit dem Historischen Archiv des Hauses der Kunst, dem Stadtarchiv München, der Bayerischen Staatsbibliothek (Fotoarchiv Heinrich Hoffmann) und dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, unter der Projektleitung des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München. Zusammen mit Künstlernamen, Bildtiteln, größtenteils mit Abbildungen, den Angaben zu Kreditoren, Debitoren und Preisen, welche aus den Kontenbüchern des Archivs des Hauses der Kunst stammen, gibt es eine Datenquelle mit ergiebigen Informationen zu den Großen Deutschen Kunstausstellungen, die von 1937 bis 1944 in München stattfanden, welche ein breites empirisches Fundament für zukünftige Fragestellungen beziehungsweise Revision alter Antworten bietet. Diese kunstgeschichtliche Arbeit basiert zum größten Teil auf den öffentlich bereitgestellten Informationen von GDK-Research und ist eine interdisziplinäre, verkaufsgestützte empirische Analyse, die um betriebs- wie volkswirtschaftliche Methoden sowie Analyseformen der deskriptiven Statistik und Modelle der Markt-, Werbe- und Konsumentenpsychologie erweitert wurde, um ein schlüssiges Bild der GDK als Verkaufsausstellung und ihre Werke als Ware darzulegen. Die innere Verflechtung dieser wissenschaftlichen Methoden führt zu einem erweiterten Fokus auf die Kunst des Nationalsozialismus und seiner Kunst und Verkaufsinstitution, der „öffentlichen Anstalt Haus der Deutschen Kunst (Neuer Glaspalast)“. Dieser besteht darin, dass das Haus der Deutschen Kunst auch als Wirtschaftsunternehmen Relevanz besaß und nicht nur als ideologischer Mittler der nationalsozialistischen Regierung fungierte. Von der Grundsteinlegung über die Architektur des Troostbaus, den „Tagen der Deutschen Kunst“, den öffentlichen Bekanntmachungen bis hin zur Eröffnung der GDK, bediente sich die Anstalt diverser Maßnahmen, die sich postum mit modernen Marketingmaßnahmen der Betriebswirtschaft decken und dementsprechend beschrieben werden, um ihre Wirkung und hohen Gewinne zu erklären. Des Weiteren wird auf die Auswahl der Werke eingegangen; außerdem wird die diktatorische Setzung mit der propagandistisch inszenierten Abwahl der Professorenjury beschrieben, die sich in das Machtgefüge des nationalsozialistischen Führerprinzips einbetten lässt und dadurch damaligen „kunsthistorischen Diskurs“ verdeutlicht. Sabine Brantl bearbeitete bereits ausführlich „Das Haus der Kunst“ in seiner historischen Entwicklung vom Bau bis zum Ende des Nationalsozialismus und setzte dabei den Fokus auf die Selbstinszenierung, vor allem von Hitler und seiner Machtelite, der propagandistischen Nutzung des Troostbaus und der ideologischen Vereinnahmung und „Lenkung“ der Kunst mit Hilfe der Ausstellungen. Die Ausstellungen wurden daher als ein weiteres öffentlichkeitswirksames Instrument der Propaganda verstanden und analysiert. Dabei wurde die GDK hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt des Blut- und Bodenkults gestellt. Ines Schlenker geht diesbezüglich etwas weiter und beschreibt die Organisation der Ausstellungen und eventuelle Auswahlkriterien der Kunstwerke. Unter anderem setzt sie ihre Erkenntnisse in Bezug zu den Besucher- und Ausstellerzahlen, um die gesellschaftliche Resonanz der Ausstellungen anzudeuten. Dabei beschreibt sie auch Hitlers Künstler-Patronat und die daraus resultierende finanzielle Situation. Beide Monographien leisteten mittels des Archives des Hauses der Kunst und dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv eine ausführliche Arbeit über den Bau und dessen Finanzierung. Dieser Grundstock wurde mit den Jahresberichten der „Anstalt Haus der Deutschen Kunst (Neuer Glaspalast)“ geprüft und erweitert, da ein Großteil der Quellen aus dem Briefverkehr der beteiligten Spender und damals zuständigen Beamten bestand, außerdem wurde dieser um Reinhard Heydenreuters Arbeit über die Situation des Bayerischen Obersten Rechnungshofs während der Jahre 1933 und 1945 ergänzt. Dementsprechend steht in der hiesigen Analyse die betriebswirtschaftliche Aufarbeitung im Vordergrund. Mit der Dissertation von Marlis Schmidt zur Kunstauswahl der GDK standen weitreichende Informationen zur Verfügung, die einen betriebswirtschaftlichen Transfer der Werkauswahl in ein undifferenziertes Produktportfolio ermöglichten und damit einen entscheidenden Beitrag zu der These beitrugen, dass das „Hause der Deutschen Kunst“ durch seine Marketingmaßnahmen eine Monopolstellung innerhalb des Kunstmarktes einzunehmen versuchte und die überdies als eigenständige Marke wahrgenommen werden wollte. Die dazu nötige Imageerzeugung konnte durch Joachim Petsch, der die Entwicklung der NS-Kunst im kunsthistorischen Diskurs erörtert und die Machtgefüge der NS-Zeit verdeutlichte und Stefan Schweizers ideologiekritische Bearbeitung der Festumzüge an den „Tagen der Deutschen Kunst“, historisch exemplifiziert werden. Die Mechanismen der Preisfindung, die Kategorisierung der Kunst als Tauschobjekt mit sozialem Zusatznutzen und das resultierende Preisniveau der ausgestellten Werke wird mit zeitgenössischen Kaufkraftparitäten des Statistischen Reichsamts in Verbindung gesetzt. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, die Käuferzielgruppen festzulegen und die durch kunstpolitische Maßnahmen nachhaltig begünstigte Bilanz der Anstalt anschaulicher zu machen um das mögliche Nachfrageverhalten der Debitoren wissenschaftlich zu erklären. Nach den genauen statistischen Analysen der einzelnen Ausstellungsjahre ist es zudem nötig, bestimmte Kaufverhalten der Debitoren aufzuzeigen, welche konsumentenpsychologisch betrachtet werden und die dementsprechend Hitler nicht mehr als den alleinigen Käufer der GDK erscheinen lassen, sondern sein Kaufverhalten lediglich als methodische Maßnahme zur erfolgreichen Umsatzsteigerung beschreibt. Durch die empirische Betrachtung der Preisniveaus auf der GDK und dank der detaillierten Aufarbeitung der Kunstauktion der Galerie Fischer am 30. Juni 1939 in Luzern von „entarteter Kunst“ durch Gesa Jeuthe, zeigt sich zudem ein interessanter Vergleich beider Verkaufszahlen. Als Begründung für die höheren realisierten Preise der GDK, von teilweise eher durchschnittlichen Kunstwerken, werden neben der Kriegssituation vor allem auch marktpsychologische Denkansätze verwendet. Die Analysen aus den Bereichen der Wirtschaft wurden mit den Theorien des momentan führenden Wissenschaftler Eugene Porter durchgeführt und die der Psychologie mit dem verstorbenen LMU-Professor Lutz von Rosenstiel, der ebenfalls als prägender und einflussreicher Vertreter seines Fachs galt.

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